Sehr geehrte Damen und Herren,

Privatpersonen, Gruppen, Organisationen, Vereine, Firmen u.a. haben sich entschlossen, im Dezember einen offenen Brief im Hamburger Abendblatt zu veröffentlichen, um den Bürgermeister davon zu überzeugen, dass AUCH Hamburg neue, moderne und leistungsfähige Straßenbahnen braucht, um eine ECHTE Verkehrswende und Klimaziele schneller erreichen zu können.

Alle bisherigen Mitunterzeichner/innen würden sich freuen, wenn Sie dieses Anliegen mit Ihrem guten Namen unterstützen könnten.

Im Anhang finden Sie den "Offenen Brief" sowie eine Hintergrundinformation. Kosten entstehen Ihnen nicht.

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Jens Ode
(u.a. Bündnis Nahverkehr Metropolregion Hamburg)
Auerhahnweg 21a
22149 Hamburg
0177 6684873


Offener Brief an Herrn Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, betreffend seiner Aussagen zur Straßenbahn.

16. November 2022

Guten Tag, Herr Dr. Tschentscher,

am 16. Juli dieses Jahres druckte das „Hamburger Abendblatt“ ein mit Ihnen geführtes Interview ab:

Sie wurden auf Ihre Äußerung zur Straßenbahn angesprochen. Sie hatten in diesem Zusammenhang von „altmodischen Stahlungetümen“ gesprochen, „die ganze Verkehrsräume durchschneiden. Sie sind nicht mehr zeitgemäß und keine Metropole baut solche Bahnen in ihrem Zentrum.“ Ihr ehemaliger Kollege Alain Chenard aus Nantes, wo wie in vielen französischen Städten die Straßenbahnlinien mitten durchs Zentrum fahren, war da völlig anderer Meinung: „Die Straßenbahn ist die städtebauliche Idee des Jahrhunderts.“ Und bei allen europäischen Haupt- und Millionenstädten sind Straßenbahnen ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil öffentlichen Nahverkehrs. Ihre Aussage zur Straßenbahn ist also definitiv falsch und beweist einmal mehr die Realitätsferne und offensichtliche Inkompetenz Ihrer Berater.

Im Jahr 1965 wurde in Hamburg weltweit der erste Verkehrsverbund (HVV) gegründet. Die Hauptlast der Personenbeförderung noch mit 18 Linien auf 187 Netzkilometern 266 Millionen Menschen jährlich beförderte und damit sogar noch etwas mehr als die U-Bahn heute. Am 30. September 1978 fuhr in Hamburg die einzig verbliebene Straßenbahnlinie 2 zum letzten Mal und wurde am 1. Oktober 1978 durch den Bus 102 abgelöst. Trotz Einsatzes der größten verfügbaren Busse konnte die dann als Metrobus 5 verkehrende Buslinie die großen Fahrgastzahlen zu keiner Zeit zuverlässig bewältigen.

Heute „erlaubt“ sich Hamburg eine Busflotte von 1.800 Fahrzeugen und davon weit mehr als 90 Prozent umweltbelastend mit Dieseltreibstoff. Eine Straßenbahn fährt ohne jede Emissionen und auch ohne schwere, kostenintensive Akkus. Sie braucht keine teure Ladeinfrastruktur und keine zeitaufwendigen, unproduktiven Ladevorgänge. Dazu ist die Straßenbahn erheblich komfortabler als ein Bus, durch ihre hohe Beschleunigung im Gegensatz zum Bus kein Verkehrshindernis und im Straßenraum „barrierefreier“ und sparsamer als jedes andere Verkehrsmittel. Dazu ist die Straßenbahn leise und ihre Gleise sind schnell gebaut. Und sie braucht von allen Verkehrsmitteln einschließlich des Fahrrads den geringsten Platz.

Sie propagieren eine „Verkehrswende“. Wo ist sie? „Wende“ heißt im Sprachgebrauch „Umkehr“. Fest steht, dass die von vielen als unattraktiv empfundene Busflotte nicht in der Lage ist, die Fahrgastzahlen signifikant zu erhöhen und den HVV attraktiver zu machen. Außerdem ist Busbetrieb durch die (zu) kleinen Gefäße sehr personalintensiv und damit teuer, belastet die Luft und sorgt für einen extrem starken Verschleiß von Hamburgs Straßen (siehe hier).

Ein Netz von Straßenbahnlinien ist im Gegenteil zu einer einzelnen U-Bahnlinie mit einem Bruchteil der Kosten und in unvergleichlich kürzerer Zeit gebaut. Eine moderne Straßenbahn fährt mit einer Lebensdauer von 30 und mehr Jahren weitgehend kostenneutral und befördert etwa so viele Fahrgäste wie ein Kurzzug der Hamburger U-Bahn. Schauen Sie sich bitte einmal in Ihrer Heimatstadt Bremen um und genießen Sie dort die weltweit modernsten und komfortabelsten Straßenbahnen. Es gibt auch viele andere Städte in Deutschland und in den Nachbarländern, wo längst Fußgänger, Radfahrer und Straßenbahnen gemeinsam und zum Vorteil aller das Straßenbild beherrschen.

Herr Dr. Tschentscher,

bitte korrigieren Sie Ihre Falschaussage zur Straßenbahn! Und bitte sorgen Sie als Erster Bürgermeister dafür, dass unsere Hansestadt eine fortschrittliche Metropole wird, indem endlich eine schnelle, leistungsfähige und bezahlbare „Verkehrswende“ vorangebracht wird. Die dafür erforderlichen Änderungen erfordern Mut, diesen wünsche ich Ihnen!

Mit freundlichen Grüßen
Wolf Drewitz
und Mitunterzeichner


Hintergrundinformation

Das erste Teilstück der U5 ist vom Bramfelder Dorfplatz bis zur City Nord geplant. Die erste Kostenschätzung für diese knapp fünf Kilometer Fahrstrecke inklusive einer Abstellanlage in Bramfeld lag nach Auskunft des Senats bereits vor etwa zwei Jahren bei 1,84 Milliarden Euro.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes (siehe hier) stiegen die Erzeugerpreise für Baustoffe wie Holz, Stahl oder Dämmmaterialien deutlich: Konstruktionsvollholz verteuerte sich im Mai 2021 um 83,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und Bauholz um 38,4 Prozent. Nicht nur die gestiegenen Holzpreise, auch die Stahlpreise treiben die Kosten auf dem Bau in die Höhe: Betonstahl in Stäben war im Mai 2021 um 44,3 Prozent teurer, Betonstahlmatten kosteten 30,4 Prozent mehr als im Mai 2020 und preistreibend auf den Baustellen wirken sich auch die gestiegenen Erdölpreise aus: Bitumen auf Erdölbasis, das unter anderem zur Abdichtung von Gebäuden und Fundamenten gegen das Eindringen von Wasser verwendet wird, verteuerte sich im Mai 2021 sogar um 63,9 Prozent gegenüber Mai 2020.

Die Gesamtstrecke der U5 ist mit einer Länge von rund 24 Kilometer geplant, die damit nach der längst überholten Kostenschätzung bereits etwa 9 Milliarden Euro kosten würde, mit den absehbaren Preissteigerungen mindestens 12 Milliarden Euro. Zudem werden die in der Innenstadt vorgesehenen Haltestellen Hauptbahnhof, Jungfernstieg und Stephansplatz mit ihrem weit überdurchschnittlichen Bauaufwand zusätzliche hohe Kosten verursachen, so dass selbst die genannten 12 Milliarden Euro um einiges überschritten werden dürften.

Dieser Aufwand für eine einzige U-Bahnlinie ist eindeutig zu hoch. Zudem der U5-Nutzen für eine Förderung mit Bundesmitteln um die Hälfte zu gering ist, so dass Hamburg sich weiter erheblich verschulden müsste. Im Übrigen wirkt sich die U5 auch betriebswirtschaftlich negativ aus, weil sie in weiten Teilen an den heutigen Busfahrgästen vorbeifahren würde und somit kaum Busse ersetzen könnte. Straßenbahnlinien würden dagegen auf Grund der viel geringeren Baumaßnahmen aber gleicher Beförderungsleistung nur zehn bis maximal 15 Prozent der U5 kosten. Außerdem wären Straßenbahnlinien in einem Bruchteil der U5-Bauzeit fertigzustellen, in jedem Fall rechtzeitig zur Einhaltung der Klimaziele vor 2030.


Die Seiten des Briefes als pdf: Brief, Unterschriftenliste, Hintergrundinformation.

Wer mit unterzeichnen will, sende bitte eine Mail an ode.nutzfahrzeug@hamburg.de mit folgendem Inhalt:

Ich bin mit dem Inhalt des Offenen Briefes an Bürgermeister Dr. Tschentscher mit der Aufforderung zur Korrektur seiner Äußerungen zur Straßenbahn und zur Forderung an den Bürgermeister, sich für die Einführung einer Straßenbahn für Hamburg einzusetzen, einverstanden. Ich unterzeichne diesen Offenen Brief mit.

Absender, Adressen- und E-Mailangabe


Die Zahlen der Grafik in anderen Quellen:

Nur weil mir dieser Artikel grade mit über den Bildschirm lief: Verkehrswende auf dem Land : Man muss auch warten können. Im Endeffekt sind wir Stadtmenschen verwöhnt. Aber hier, "auf dem Land" (allgemein), einen ausreichenden und stabilen ÖPNV zu etablieren und zu unterhalten (von Läden, Ärzten und anderem mal abgesehen), wäre auch ein gutes Ziel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG).